Interview: Pferdewissen im Reitunterricht als Gewinn für Kind und Pferd

„Tierschutz macht Schule“ im Gespräch mit DIin Roswitha Schreiber-Jetzinger.

Bei Ihren Reitstunden steht das Pferd im Mittelpunkt. Können Sie uns das beschreiben?

DIin Roswitha Schreiber-Jetzinger: Meine Reitstunden sind so aufgebaut, dass Pferde putzen und satteln einfach dazugehört. Jeweils 10 Minuten von dieser Stunde vermittle ich Pferdewissen.
Die Kinder schauen sich zum Beispiel an, was die Pferde fressen. Wir vergleichen Stroh, Heu und Hafer oder wir messen eine Box aus, damit die Kinder die Größe mit ihrem Kinderzimmer vergleichen können. Wenn die Eltern bei mir Reitstunden buchen, werden sie zuvor über diese Wissensvermittlung informiert. So kann sich keiner aufregen, wenn sein Kind nur 30 Minuten am Pferd sitzt. Ich kenne ReitlehrerInnen in anderen Ställen, die nach der Reitstunde, wenn sie mit anderen Arbeiten im Stall beschäftigt sind, den Kindern unbezahlt ihr Pferdewissen weitergeben. Für mich gehört es eindeutig zur Ausbildung des Reiters/der Reiterin dazu. Das kann ich vor den Eltern gut argumentieren. In der Musikschule muss ich auch Noten lernen und nicht nur spielen üben. Die Eltern in meinen Stunden hören sogar selbst begeistert zu. Ein Vater stellt immer viele Fragen.

Was kann man bei der Pferdewissensvermittlung falsch machen?

DIin Roswitha Schreiber-Jetzinger: Wenn man den Eltern und Kindern sagt, im Reitkurs ist eine Stunde Theorie dabei. Denn das Wort Theorie klingt sehr abschreckend. Das sollte man unbedingt vermeiden.

Ihr Tipp?

DIin Roswitha Schreiber-Jetzinger: Besser man bewirbt es konkreter und dabei wird klar, dass die Kinder aktiv beschäftigt sein werden. Zum Beispiel: Wir lernen in einer Stunde wie man ein Pferd begrüßt oder wie wir es pflegen. Für die Kinder in meinen Kursen stehen die Pferde im Mittelpunkt. Viele sind stärker an ihnen als am Reiten interessiert. Sie kommen zum Reiten, weil sie nahe bei den Tieren sein wollen.

Wie finden Sie Ihre Themen?

DIin Roswitha Schreiber-Jetzinger: Ich mache mir einen Plan, was ich in den Stunden zeige, aber es ist auch wichtig, flexibel auf die Fragen der Kinder einzugehen. Zum Beispiel musste sich die Mama eines Kindes einen Zahn ziehen lassen. Daraus ergab sich für die Kinder die Frage, ob auch Pferde Zahnschmerzen haben können. Eigentlich wollte ich in dieser Stunde den Huf zeigen. So haben wir einem Pferd ins Maul geschaut.

Sie verwenden das Unterrichtsmagazin „Tierprofi –Pferde“ vom Verein „Tierschutz macht Schule“. Wie wird es eingesetzt und welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?

DIin Roswitha Schreiber-Jetzinger: Im zweiten Reitjahr bekommt jedes Kind von mir das „Tierprofi – Pferde“ Unterrichtsmagazin. Sie dürfen es zuhause lesen und die Rätselfragen ausfüllen. Dann bringen sie es wieder in den Unterricht mit und wir vergleichen die Ergebnisse. Das Heft wird von den Kindern sehr gut angenommen. Besonders fasziniert sind sie vom Vergleich Pferd und Esel. Die meisten haben gar nichts von dieser Verwandtschaft gewusst. Neu ist ihnen, dass man Pferd und Esel miteinander kreuzen kann. Auch die Beschreibung der Pferde in freier Wildbahn ist ein Highlight im Heft.
Ich habe beobachtet, wie Eltern im „Tierprofi-Heft“ schmökern. Eine Mutter liest es ihrem kleinen Kind vor. Es eignet sich sehr gut als Ergänzung zum Reitunterricht.

Wieweit trägt das Pferdewissen zur Sicherheit bei?

DIin Roswitha Schreiber-Jetzinger: Reiten gehört zu den gefährlichen Sportarten, aber nur wenige Leute wissen, dass die meisten Unfälle statistisch gesehen nicht beim Reiten passieren, sondern beim Umgang mit dem Pferd. Mehr Wissen schafft mehr Sicherheit. Das ist ein gutes Argument für Eltern. Letztendlich hilft es auch den ReitstallbetreiberInnen, wenn Reitgäste Grundregeln kennen und sich daranhalten.

Unterrichten Sie Buben anders als Mädchen?

DIin Roswitha Schreiber-Jetzinger: Buben wollen mit dem Pferd meist etwas Zielorientiertes tun. Zum Beispiel machen wir Spiele wie zu Pferd einen Ball von Reiter zu Reiter transportieren und in einen Korb werfen. Für viele Mädchen ist das Zusammensein mit dem Pferd schon wichtig genug.

Wie zeigen Sie Buben den achtsamen Umgang mit Pferden?

DIin Roswitha Schreiber-Jetzinger: Bei ihnen hab ich den Vorteil, dass sie sehr jung zu mir kommen. Die Reitstunden beginnen mit 6 Jahren. Der erste Kontakt zum Pferd ist das Anfassen, die Hand drauflegen und das Bürsten des Fells. Sie lernen von Anfang an die Körpersprache des Pferdes verstehen und merken, wie es reagiert. Wenn ein Kind etwas falsch macht, sag ich das Pferd reagiert jetzt grantig, wenn du das so und so machst. Das können Buben und Mädchen gleichermaßen gut verstehen. Natürlich geben Buben beim Reiten gerne Gas, aber ich habe den Eindruck sie vergessen dabei nie, das Pferd gut zu behandeln, wenn es ihnen von Anfang an vermittelt worden ist.

Wie vermitteln Sie Tierschutz im Reitunterricht?

DIin Roswitha Schreiber-Jetzinger: Die Kinder lernen von der ersten Stunde an wie sensibel Pferde sind. Sie fühlen eine Fliege, die auf ihrem Fell sitzt und hören besser als Menschen. Mir ist es wichtig, den Kindern zu zeigen, wie fein und leicht man mit Pferden kommunizieren kann. Ich bewundere die Pferde für ihre Geduld, die sie mit uns Menschen haben.

Geben Sie das Pferdewissen auch an jugendliche und erwachsene ReitschülerInnen weiter? Wenn ja, wie läuft dieser Unterricht ab?

DIin Roswitha Schreiber-Jetzinger: Auch bei jugendlichen und erwachsenen ReitschülerInnen gibt es einen Pferdewissenteil in der Reitstunde. Der große Unterschied zu Kindern besteht darin, dass sie auch mit abstrakten Erklärungen umgehen können. Kinder hingegen müssen alles im wahrsten Sinne „begreifen“ können.
 

Vielen Dank für das Interview!

Das Gespräch führte Mag.a Daniela Lipka vom Verein „Tierschutz macht Schule“.

DIin Roswitha Schreiber-Jetzinger bildet neben der Unterrichtserteilung am Pferdeerlebnis Bierbaum als Diplompädagogin StudentInnen der Pferdewissenschaften, HIPPOLINI-LehrerInnen, PferdewirtschaftsfacharbeiterInnen und –meisterInnen aus.