Das 1x1 der Kommunikation von Meerschweinchen

Lernen Sie Ihr Meerschweinchen zu verstehen.


Grundcharakter der Meerschweinchen

Meerschweinchen sind von Natur aus ängstliche Fluchttiere. Als Erbe ihrer wilden Verwandten, die eine große Anzahl an Fressfeinden haben, reagieren Meerschweinchen sofort auf unerwartete, schnelle Bewegungen in ihrem Umfeld. Fühlt sich ein Meerschweinchen bedroht, versucht es entweder, sich durch Flucht in Sicherheit zu bringen, oder es fällt in eine Schreckstarre. Diese Schreckstarre kann bei vielen Meerschweinchen auch beobachtet werden, wenn sie hochgehoben oder am Arm/am Schoß gehalten werden.

Leider wird sie häufig mit entspanntem Verhalten verwechselt und den Meerschweinchen so unnötiger Stress zugemutet. Eine Folge dieses Falschverstehens ist dann leider häufig, dass sich die Meerschweinchen immer mehr in sich zurückziehen. Bei richtiger Haltung und wenn ihre Grundbedürfnisse erfüllt werden, sind Meerschweinchen aber durchaus neugierige und aufgeweckte Mitbewohner. Man sollte sich aber immer bewusst sein (am besten schon vor der Anschaffung), dass Meerschweinchen nicht so auf den Menschen zugehen, wie es Hund oder Katze tut und auch von sich aus kein „Spielen“ einfordern. Man kann Meerschweinchen zwar durchaus daran gewöhnen, dass sie den direkten Kontakt zum Menschen tolerieren und mit entsprechender Geduld und abhängig vom Charakter des Meerschweinchens eventuell auch schätzen lernen. Aber es handelt sich bei Meerschweinchen doch immer um Tiere, bei denen die Beobachtung und der Kontakt beim Füttern überwiegen.

Meerschweinchen sind kein Kinderspielzeug, sondern empfindsame und auch empfindliche Lebewesen, die sehr schreckhaft und geräuschempfindlich sind und sich nicht für häufiges Herumtragen eignen!


Lautsprache der Meerschweinchen

Meerschweinchen zeigen eine sehr umfangreiche Lautsprache, deren Verständnis durch geduldige Beobachtung in unterschiedlichsten Situationen in Grundzügen leicht erlernt werden kann. Leider kommt es aber auch immer wieder zu Missverständnissen und Fehlinterpretationen, sodass hier versucht werden soll, einen kurzen Einblick in grundlegende Lautäußerungen zu geben. Ganz typisch für Meerschweinchen ist das lautstarke Betteln um Futter (Fiepen oder Quieken). Es wird immer dann gezeigt, wenn Meerschweinchen eine Fütterung erwarten, häufig auch wenn der/die Halter/in nach Hause kommt, wenn danach normalerweise eine Fütterung ansteht.

Meerschweinchen geben bei der Verständigung zwischen den einzelnen Gruppenmitgliedern und zwischen Mutter und Jungtieren leise Stimmfühlungslaute von sich. Ruhen Meerschweinchen entspannt oder sind sie unternehmungslustig unterwegs, hört man oft ein leises Glucksen.

Ein häufiges Missverständnis ergibt sich, wenn Meerschweinchen ähnliche Töne von sich geben, wenn sie z.B. am Schoß gehalten und gestreichelt werden. Diese Töne sind dann etwas hochfrequenter und manchmal auch etwas lauter und drücken nicht gesteigertes Wohlbefinden, sondern Unmut bzw. Unzufriedenheit mit dem Gehaltenwerden oder dem Streicheln aus. Bei Hochheben kann man oft auch einen anderen Unmutslaut wahrnehmen, ein leises Schnauben oder Schnaufen.

Hören Meerschweinchen Geräusche, die ihnen unangenehm sind oder Angst machen, oder werden sie gegen den Strich gestreichelt, geben sie häufig einen wiederholten Gurrlaut von sich. Eine ähnliche Lautäußerung kann man aber auch manchmal hören, wenn Meerschweinchen ein Stück ihres Lieblingsfutters bekommen. Klappern Meerschweinchen mit den Zähnen, handelt es sich dabei meist um eine Drohung. Zähneklappern kann man häufig bei Streitereien in der Gruppe und während einer Vergesellschaftung hören.

Umwerben Meerschweinchenböcke ihre Weibchen, geben sie dabei tiefe Brummlaute von sich. Diese Brummlaute können gemeinsam mit beschwichtigendem Verhalten auch zur Streitschlichtung innerhalb der Gruppe dienen. Stoßen Meerschweinchen ein lautes schrilles Quietschen oder Pfeifen aus, haben sie große Angst oder Schmerzen. Diese Schreie dürfen nicht mit dem Betteln um Futter verwechselt und verharmlost werden. Sind Schmerzen die Ursache, ist ein umgehender Besuch bei einem Tierarzt mit Meerschweinchen-Erfahrung notwendig. Schreit das Meerschweinchen aus Angst, sollte man durch entsprechend geduldiges und einfühlsames Vorgehen versuchen, diese Angst zu mildern. Schreien Meerschweinchen beim Hochheben, kann die Ursache auch am falschen Anfassen liegen. Selten kann man bei Meerschweinchen (vor allem nachts) auch einen „Gesang“ hören, der entfernt an Vogelgesang erinnert. Als Ursache für dieses so genannte Zwitschern oder Chirpen wird vermutet, dass sich ein Tier in der Gruppe in einem Zwiespalt befindet oder sehr gestresst ist, z.B. nach einer Vergesellschaftung, wenn die Gruppe noch nicht zur Ruhe gefunden hat.


Körpersprache 

Neben der Lautsprache zeigen Meerschweinchen ein arttypisches Ausdrucksverhalten. Meerschweinchen haben aber kein so ausgeprägtes Minenspiel wie Hund oder Katze. In erster Linie kann man sich bei Meerschweinchen an den Augen und der Körperhaltung orientieren und auch daran, wie sie das Fell „tragen“. Wird das Fell eng angelegt, hat das Meerschweinchen meistens Angst oder befindet sich in einer Stresssituation. Wird das Fell locker „getragen“, ist es entspannt.

Wird das Fell gesträubt, kann es sein, dass ihm kalt ist oder dass es einem Artgenossen gegenüber Imponier-Verhalten zeigt. Auch bei kranken Meerschweinchen kann man häufig eine Sträubung des Fells beobachten, eventuell auch nur z.B. im Kopfbereich, wenn das Tier Schmerzen im Bereich des Kiefers hat.

Bei Meerschweinchen einer Strukturrasse (Rosette, US-Teddy, Rex usw.) oder langhaarigen Meerschweinchen sind die Interpretationsmöglichkeiten des Wohlbefindens eines Meerschweinchens anhand des Fells leider nur sehr eingeschränkt oder gar nicht möglich. Mattes, stumpfes Fell deutet auf schlechte Haltungsbedingungen oder ein gesundheitliches Problem hin. Ein ängstliches Meerschweinchen hat die Augen groß aufgerissen und das Fell eng angelegt. Bei den Meerschweinchen der meisten Rassen kann man einiges an der Form der Augen ablesen. Bei einem entspannten Meerschweinchen sind die Augen etwa mandelförmig. Ängstliche Meerschweinchen oder Meerschweinchen in Stresssituationen haben die Augen dagegen groß aufgerissen und kugelrund. Sind die Augen in Verbindung mit einem zusammengekrümmten Körper nur als kleine Schlitze zu sehen, fühlt sich das Meerschweinchen nicht wohl. Halbgeschlossene oder geschlossene Augen in Kombinationen mit entspannter Körperhaltung zeigen Meerschweinchen dagegen, wenn sie dösen oder schlafen.

Aus der Körperhaltung kann man ebenfalls einiges über den momentanen Gemütszustand oder die Befindlichkeit eines Meerschweinchens ablesen. Meerschweinchen, die Imponier-Verhalten zeigen, machen sich möglichst groß (auch in Kombination mit gesträubtem Fell). Auch ein balzender Meerschweinchenbock macht sich groß, umkreist das Weibchen mit seitlichen Schritten und schwingendem Hinterteil. Man bezeichnet dieses Werbeverhalten auch als Meerschweinchen-Rumba. Dazu ertönt das typische Brummen des Werbeverhaltens.

Meerschweinchen, die Angst haben oder denen kalt ist, machen sich eher klein. Ein zusammengekauerter Körper kann auch das Anzeichen einer Erkrankung sein. Beim entspannten Ruhen oder Schlafen strecken Meerschweinchen ihre Hinterbeinchen häufig seitlich (manchmal auch nach hinten) weg. Neben dem leicht seitlichen Liegen kann man auch manchmal beobachten, dass Meerschweinchen beim geraden Liegen ihre Vorderbeine weit vorstrecken.

Beispiele für weitere Verhaltensweisen:

  • Meerschweinchen zeigen als Erwachsene normalerweise kein Kontaktliegen und sie putzen sich auch nicht gegenseitig. Die Verbundenheit zu anderen Gruppenmitgliedern wird dadurch ausgedrückt, dass sich die Tiere gegenseitig mit der Schnauze im Bereich des Kopfes (häufig bei den Ohren oder seitlich bei der Schnauze) berühren. Sanftes Streicheln des Halters wird daher auch im Kopfbereich ab besten angenommen.
  • Das Hochwerfen des Kopfes ist eine Droh- oder Abwehrgeste. Streichelt man ein Meerschweinchen wiederholt am Kopf, kann man dieses Hochwerfen leicht auslösen. Das Meerschweinchen drückt damit aus, dass man das Streicheln einstellen soll. Auch in Konfrontationssituationen zwischen Meerschweinchen wird der Kopf als Drohgeste hochgehoben und die Zähne werden gezeigt. Kommt es zu keiner Beschwichtigung von einer Seite, erheben sich die Meerschweinchen kurz auf die Hinterbeine und springen aufeinander zu. Dabei kann es passieren, dass sich zwei Meerschweinchen ineinander verbeißen. Die Meerschweinchen befinden sich in solchen Kampfsituationen in höchster Erregung. Ein Trennen der Kämpfer sollte nie mit bloßen Händen erfolgen. Besser ist es, die Tiere zunächst durch einen kurzen, sauberen Wasserstrahl aus einem Blumenbesprüher abzulenken und dann schnell zu trennen.
  • Aufdringliches Werbeverhalten eines Bocks wehrt ein Weibchen, das sich nicht in der Brunst befindet, durch Abwehrharnen ab. Auch andere aufdringliche Gruppenmitglieder (oder der/die Halter/in) werden durch dieses Abwehrverhalten abgewehrt.
  • Ist eine Meerschweinchengruppe gemeinsam unterwegs, z.B. während des Freilaufs im Zimmer, sind Meerschweinchen häufig im Gänsemarsch unterwegs, wobei im Allgemeinen das mutigste (nicht immer das ranghöchste!) Tier die Gruppe anführt.


Grundlegendes Vertrauen aufbauen

Nachdem Meerschweinchen von Natur aus sehr ängstlich sind, ist es wichtig, eine auf Vertrauen basierende Beziehung zu ihnen aufzubauen. Dabei sind Geduld und Zeit entscheidende Faktoren, denn je nach Veranlagung und Vorerfahrungen sind Meerschweinchen schneller oder weniger schnell bereit, dem Halter beginnendes Vertrauen entgegenzubringen. Eine stabile Vertrauensbeziehung braucht in erster Linie Zeit und viele für das Meerschweinchen positive Erlebnisse mit dem/der Halter/in, um sich im Laufe eines Meerschweinchenlebens zu festigen.

Der erste Schritt auf dem Weg ist, dass das Meerschweinchen Futter aus der Hand nimmt. Man muss es langsam an die Anwesenheit des Menschen und an die Berührung durch den Menschen gewöhnen, aber auch an die menschliche Stimme und Alltagsgeräusche. Dabei ist es wichtig, dass man dem ängstlichen Tier die Möglichkeit gibt, selbst Einfluss auf sein Schicksal zu nehmen, damit es lernt, dass das Leben nichts ist, das ihm immer nur passiert. Sehr förderlich ist es dabei zum Beispiel, den täglichen Freilauf so zu gestalten, dass alle Tiere der Gruppe lernen, selbst aus dem Gehege zu kommen und auch selbstständig wieder in das Gehege zurückzukehren, wenn die Freilaufzeit zu Ende ist. Meerschweinchen lernen schnell, dass sie sich durch diese freiwillige Kooperation lästiges Gefangenwerden ersparen. Die Kombination des Endes der Freilaufzeit mit einer Fütterung sorgt für zusätzliche Motivation.

Beim direkten Kontakt ist es wichtig, die Tiere immer so zu halten, dass sie sich möglichst sicher fühlen. Bei besonders ängstlichen Tieren kann es auch vorteilhaft sein, ihnen vor allem am Anfang auch am Schoß eine Deckung anzubieten, z.B. in Form einer Decke oder eines Handtuchs. Man kann sehr ängstliche Tiere auch gemeinsam mit einem zutraulicheren Partnertier an den direkten Kontakt gewöhnen.

Viele Meerschweinchen tolerieren ein Streicheln mit der Handaußenseite besser als ein Streicheln mit der Handfläche. Ein Streicheln mit der Handaußenseite wird weniger bedrohlich empfunden. Das Fangen sollte man immer so schnell und unaufgeregt wie möglich durchführen. Läuft ein Meerschweinchen der Gruppe weg, sollte dennoch dieses Meerschweinchen als nächstes gefangen werden, weil es sonst lernt, dass es dem Gefangenwerden durch Weglaufen gut entkommen kann – und das Fangen wird immer schwieriger.

Besonders anfangs hält man das Meerschweinchen nur kurz fest. Generell ist es vorteilhaft beim Halten am Schoß auf Zeichen von Unruhe zu achten, die Meerschweinchen zeigen, bevor sie Harn absetzen. Nehmen Meerschweinchen auch außerhalb des Käfigs Futter entgegen, kann man das ebenfalls dazu verwenden, den direkten Kontakt für das Meerschweinchen angenehmer zu gestalten. Aber Achtung, Meerschweinchen entwickeln sich schnell zu routinierten Bettlern!
 

Quelle: Dr.in Marion Reich, www.meerschweinchenberatung.at